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Alkohol, Blutdruck und Herzrhythmus – was Sie wissen müssen

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Alkohol, Blutdruck und Herzrhythmus: Was Sie über die Risiken wissen sollten

Das Wichtigste vorweg: Wie Alkohol auf Herz und Kreislauf wirkt

Die Kernbotschaft in aller Kürze

Alkohol beeinflusst unser Herz-Kreislauf-System stärker, als viele Menschen vermuten. Schon kleine Mengen können den Blutdruck erhöhen und den Herzrhythmus aus dem Takt bringen. Besonders das Risiko für Vorhofflimmern – eine häufige Herzrhythmusstörung – steigt bereits bei moderatem Konsum messbar an.

Vielleicht haben Sie schon einmal gehört, dass ein Glas Rotwein zum Essen gesund sein soll, besonders im Rahmen der mediterranen Ernährung. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeichnen jedoch ein anderes Bild: Die nachgewiesenen Vorteile der Mittelmeerküche für unser Herz entstehen nicht durch den Wein, sondern trotz des Alkohols – durch die vielen gesunden Lebensmittel wie Olivenöl, Fisch und Gemüse.

Warum weniger tatsächlich mehr ist

Die aktuellen medizinischen Leitlinien sind eindeutig: Aus kardiologischer Sicht gibt es keine völlig unbedenkliche Alkoholmenge. Je weniger Sie trinken, desto besser für Ihr Herz. Das gilt besonders, wenn Sie bereits unter Bluthochdruck leiden, Herzrhythmusstörungen haben oder andere Risikofaktoren mitbringen.

So wirkt Alkohol im Körper: Die Mechanismen verstehen

Was genau ist ein Standardgetränk?

Wenn Mediziner von einem "Standardgetränk" sprechen, meinen sie eine Menge, die etwa 10 bis 12 Gramm reinen Alkohol (Ethanol) enthält. Das entspricht einem kleinen Bier (0,3 Liter), einem Achtel Wein oder einem Schnaps. Der Körper baut diesen Alkohol nur langsam ab – etwa 0,1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht in einer Stunde. Ein 70 Kilogramm schwerer Mensch benötigt also fast zwei Stunden, um ein einziges Standardgetränk vollständig abzubauen.

Die unmittelbaren und langfristigen Folgen

Direkt nach dem ersten Schluck erweitern sich zunächst die Blutgefäße (Vasodilatation), was den Blutdruck kurzfristig senken kann. Doch dieser Effekt täuscht: Schon bald aktiviert der Alkohol das sympathische Nervensystem – jenen Teil unseres Nervensystems, der für Stressreaktionen zuständig ist. Gleichzeitig wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) angeregt, ein komplexes Hormonsystem, das normalerweise den Blutdruck reguliert. Die Folge: Herzfrequenz und Blutdruck steigen an.

Bei regelmäßigem Konsum gerät dieses fein abgestimmte System dauerhaft aus dem Gleichgewicht. Die ständige Aktivierung der Stresshormone wie Adrenalin führt langfristig zu erhöhtem Blutdruck und macht das Herz anfälliger für Rhythmusstörungen.

Der Einfluss auf den Blutdruck genauer betrachtet

Was kurzfristig passiert

Nach dem Genuss von Alkohol durchläuft der Blutdruck verschiedene Phasen. Zunächst fällt er leicht ab, besonders wenn Sie auf nüchternen Magen trinken. Doch einige Stunden später – oft erst am nächsten Morgen – steigt er deutlich an. Viele Menschen kennen dieses Phänomen vom "Kater": Der pochende Kopfschmerz ist oft ein Zeichen für den erhöhten Blutdruck in dieser Phase.

Die langfristigen Auswirkungen

Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken, entwickeln häufiger eine arterielle Hypertonie (Bluthochdruck). Das Tückische daran: Selbst moderate Mengen erhöhen das Risiko. Zudem erschwert Alkohol die Behandlung eines bereits bestehenden Bluthochdrucks, da er die Wirkung vieler Blutdruckmedikamente beeinträchtigen kann.

Die Dosis macht das Gift – oder doch nicht?

Lange Zeit glaubte man an eine J-förmige Kurve: Wenig Alkohol sei besser als gar keiner, und erst größere Mengen seien schädlich. Diese Annahme ist überholt. Aktuelle Studien zeigen einen linearen Zusammenhang: Mit jedem Glas steigt das Risiko kontinuierlich an. Besonders gefährlich ist das sogenannte Binge Drinking, also der Konsum von fünf oder mehr Standardgetränken bei einer Gelegenheit.

Wer besonders aufpassen sollte

Einige Menschen reagieren besonders empfindlich auf die blutdrucksteigernde Wirkung von Alkohol. Dazu gehören Personen mit bereits bestehendem Bluthochdruck, Schlafapnoe (nächtliche Atemaussetzer) oder Diabetes. Auch ältere Menschen vertragen Alkohol schlechter, da sich ihr Stoffwechsel verlangsamt hat. In der Schwangerschaft sollte komplett auf Alkohol verzichtet werden – nicht nur wegen der Gefahr für das ungeborene Kind, sondern auch weil sich der Blutdruck der Mutter gefährlich erhöhen kann.

Wenn das Herz aus dem Takt gerät: Alkohol und Herzrhythmusstörungen

Das Holiday-Heart-Syndrom

Stellen Sie sich vor, Sie feiern ausgelassen auf einer Party und trinken mehr als üblich. Am nächsten Tag spüren Sie plötzlich, wie Ihr Herz stolpert oder rast. Dieses Phänomen nennen Mediziner "Holiday-Heart-Syndrom", weil es erstmals bei Urlaubern nach ausgiebigen Feiern beschrieben wurde. Dabei handelt es sich oft um Vorhofflimmern, eine Herzrhythmusstörung, bei der die Vorhöfe des Herzens unkoordiniert und viel zu schnell schlagen.

Das Beunruhigende: Nicht nur exzessives Trinken kann Vorhofflimmern auslösen. Studien zeigen, dass bereits ein bis zwei Gläser täglich das Risiko messbar erhöhen. Mit jedem zusätzlichen Standardgetränk pro Tag steigt die Wahrscheinlichkeit für Vorhofflimmern um etwa acht Prozent.

Weitere Rhythmusstörungen

Neben Vorhofflimmern kann Alkohol auch andere Herzrhythmusstörungen verursachen. Extrasystolen – zusätzliche Herzschläge, die sich wie Stolpern anfühlen – treten häufiger auf. Auch supraventrikuläre Tachykardien (anfallsartiges Herzrasen) können durch Alkohol begünstigt werden. In seltenen Fällen verlängert sich die QT-Zeit im EKG, ein Warnsignal für potenziell lebensbedrohliche Rhythmusstörungen.

Die zugrundeliegenden Mechanismen

Alkohol bringt das Herz auf mehreren Wegen aus dem Rhythmus. Er aktiviert das sympathische Nervensystem und versetzt den Körper in einen Stresszustand. Gleichzeitig stört er den Elektrolythaushalt – wichtige Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium geraten aus dem Gleichgewicht. Zudem fördert Alkohol entzündliche Prozesse im Herzmuskelgewebe. All diese Faktoren zusammen destabilisieren die elektrische Erregungsleitung im Herzen.

Die Mittelmeer-Ernährung: Gesund trotz oder wegen des Weins?

Was die Forschung wirklich zeigt

Die mediterrane Ernährungsweise gilt als eine der gesündesten der Welt. Tatsächlich zeigen große Studien, dass Menschen, die sich mediterran ernähren, seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Doch liegt das am traditionellen Glas Rotwein zum Essen? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Die schützende Wirkung entsteht durch die Fülle an pflanzlichen Lebensmitteln, hochwertigen Ölen, Nüssen und Fisch. Studien, in denen die mediterrane Ernährung ohne Alkohol untersucht wurde, zeigen die gleichen positiven Effekte.

Der Mythos vom gesunden Rotwein

Rotwein enthält tatsächlich Polyphenole wie Resveratrol – sekundäre Pflanzenstoffe mit antioxidativer Wirkung. Doch diese stammen aus den Trauben, nicht aus dem Alkohol. Sie finden sich genauso in alkoholfreiem Rotwein, rotem Traubensaft oder frischen Weintrauben. Der entscheidende Unterschied: Ohne Alkohol erhalten Sie die potenziell schützenden Substanzen ohne die nachgewiesenen Risiken.

Die wahren Helden der mediterranen Küche

Was macht die Mittelmeerküche wirklich herzgesund? Es sind die ungesättigten Fettsäuren aus Olivenöl und Nüssen, die reichlich vorhandenen Ballaststoffe aus Gemüse und Vollkornprodukten, die Omega-3-Fettsäuren aus Fisch und die Vielzahl an sekundären Pflanzenstoffen aus Obst und Gemüse. All diese Komponenten wirken zusammen und schützen Herz und Gefäße – ganz ohne Alkohol.

Praktische Empfehlungen für den Alltag

Die offiziellen Richtwerte verstehen

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt als absolute Obergrenze maximal 10 Gramm Alkohol täglich für Frauen und 20 Gramm für Männer. Das entspricht einem kleinen Glas Wein für Frauen und zwei kleinen Gläsern für Männer. Wichtig dabei: Diese Werte sind keine Empfehlung zum Trinken, sondern Obergrenzen für diejenigen, die nicht verzichten möchten. Zudem sollten Sie mehrere alkoholfreie Tage pro Woche einplanen, um einer Gewöhnung vorzubeugen.

Wann kompletter Verzicht ratsam ist

Bei bestimmten Erkrankungen oder Umständen ist vollständiger Alkoholverzicht die beste Entscheidung. Dazu gehören Vorhofflimmern oder andere Herzrhythmusstörungen, schlecht eingestellter Bluthochdruck, Herzschwäche, Lebererkrankungen und natürlich Schwangerschaft und Stillzeit.

Tipps für einen bewussteren Umgang

So reduzieren Sie die Risiken

Wenn Sie nicht ganz auf Alkohol verzichten möchten, können einige Maßnahmen die negativen Auswirkungen abmildern. Trinken Sie Alkohol immer zu einer Mahlzeit – das verlangsamt die Aufnahme. Wählen Sie Getränke mit niedrigem Alkoholgehalt und trinken Sie langsam. Zwischen alkoholischen Getränken sollten Sie immer auch Wasser trinken.

Den Überblick behalten

Führen Sie Buch über Ihren Alkoholkonsum. Das klingt aufwendig, aber schon eine einfache Strichliste oder eine Smartphone-App können helfen, den Überblick zu behalten. Viele Menschen unterschätzen, wie viel sie tatsächlich trinken.

Selbstkontrolle durch Messungen

Messen Sie regelmäßig Ihren Blutdruck und Puls, besonders wenn Sie Alkohol getrunken haben. Notieren Sie die Werte und achten Sie auf Veränderungen. So lernen Sie, wie Ihr Körper auf Alkohol reagiert, und können bei auffälligen Werten rechtzeitig gegensteuern.

Vorsicht bei Herzmedikamenten

Wechselwirkungen mit Blutdrucksenkern

Alkohol kann die Wirkung von Blutdruckmedikamenten verstärken oder abschwächen. ACE-Hemmer, Betablocker, Kalziumantagonisten und Diuretika (entwässernde Medikamente) können in Kombination mit Alkohol zu gefährlichem Blutdruckabfall führen. Symptome wie Schwindel, Schwäche oder sogar Ohnmacht können die Folge sein.

Blutverdünner und Rhythmusmedikamente

Besondere Vorsicht ist bei Blutverdünnern wie Marcumar oder den neueren Präparaten wie Apixaban geboten. Alkohol kann deren Wirkung unberechenbar machen und das Blutungsrisiko erhöhen. Auch Antiarrhythmika (Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen) vertragen sich schlecht mit Alkohol. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt, wenn Sie regelmäßig Medikamente einnehmen und nicht auf Alkohol verzichten möchten.

Warnzeichen ernst nehmen

Diese Symptome sollten Sie kennen

Nach Alkoholkonsum können verschiedene Warnsignale auftreten. Herzstolpern oder das Gefühl, dass das Herz rast oder unregelmäßig schlägt, sollten Sie ernst nehmen. Auch ein Engegefühl in der Brust, plötzliche Atemnot oder ein Blutdruck über 180 mmHg (systolisch) sind Alarmsignale.

Wann Sie den Notarzt rufen sollten

Bei plötzlichem, anhaltendem Herzrasen mit Kreislaufbeschwerden, starken Brustschmerzen oder Bewusstseinsstörungen zögern Sie nicht, den Rettungsdienst unter 112 zu rufen. Diese Symptome können auf ernsthafte Komplikationen hinweisen.

Richtig messen und dokumentieren

Der optimale Messzeitpunkt

Um aussagekräftige Werte zu erhalten, messen Sie Ihren Blutdruck am besten morgens vor dem Aufstehen und abends vor dem Schlafengehen. Vergleichen Sie die Werte von alkoholfreien Tagen mit denen nach Alkoholkonsum. Vermeiden Sie Messungen direkt nach dem Trinken, da die Werte dann verfälscht sein können.

Was tun bei auffälligen Werten?

Dokumentieren Sie erhöhte Blutdruckwerte oder einen unregelmäßigen Puls sorgfältig und besprechen Sie diese bei Ihrem nächsten Arztbesuch. Bei wiederholt auffälligen Messungen kann eine 24-Stunden-Blutdruckmessung oder ein Langzeit-EKG sinnvoll sein, um das Ausmaß der Problematik zu erfassen.

Häufige Fragen aus der Praxis

Erhöht wirklich schon ein einzelnes Glas den Blutdruck?
Ja, auch kleine Mengen können den Blutdruck messbar erhöhen, besonders bei Menschen, die empfindlich reagieren oder bereits Vorerkrankungen haben. Der Effekt tritt meist einige Stunden nach dem Konsum auf.

Wie hoch ist das Risiko für Vorhofflimmern bei moderatem Konsum?
Selbst bei ein bis zwei Gläsern täglich ist ein erhöhtes Risiko nachweisbar. Mit jedem zusätzlichen Standardgetränk pro Tag steigt die Wahrscheinlichkeit um etwa acht Prozent. Besonders riskant sind größere Mengen auf einmal.

Ist Rotwein tatsächlich gut fürs Herz?
Die gesunden Inhaltsstoffe im Rotwein stammen aus den Trauben, nicht aus dem Alkohol. Diese Polyphenole finden Sie auch in rotem Traubensaft, Beerenfrüchten oder grünem Tee – ohne die Risiken des Alkohols.

Wie lange beeinflusst Alkohol meine Messwerte?
Die Auswirkungen auf Blutdruck und Herzfrequenz können bis zu 24 Stunden anhalten. Für aussagekräftige Baseline-Werte sollten Sie an komplett alkoholfreien Tagen messen.

Gibt es eine wirklich sichere Menge?
Aus kardiologischer Sicht gibt es keine völlig risikofreie Alkoholmenge. Die genannten Grenzwerte sind Obergrenzen für Menschen, die nicht verzichten möchten – je weniger, desto besser.

Bei welchen Herzproblemen sollte ich komplett verzichten?
Bei Vorhofflimmern, schlecht eingestelltem Bluthochdruck, Herzschwäche oder wenn Sie bestimmte Herzmedikamente einnehmen, ist vollständiger Verzicht die sicherste Option.

Wie beeinflussen sich Alkohol und Herzmedikamente gegenseitig?
Alkohol kann die Wirkung verstärken oder abschwächen und zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Eine ärztliche Beratung ist bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme unerlässlich.

Sind alkoholfreie Alternativen wirklich besser?
Ja, alkoholfreies Bier oder Wein enthält keine gefäßverengenden Substanzen und belastet das Herz-Kreislauf-System nicht. Sie können eine gute Alternative für den Genuss ohne Reue sein.

Hilft es, nur zu den Mahlzeiten zu trinken?
Das Trinken zu den Mahlzeiten verlangsamt die Alkoholaufnahme und mildert einige Effekte ab. Das grundsätzliche Risiko bleibt jedoch bestehen.

Was sollte ich bei Herzstolpern nach Alkohol tun?
Reduzieren Sie künftig Ihren Alkoholkonsum deutlich und sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Eine kardiologische Abklärung kann sinnvoll sein, um das Ausmaß der Rhythmusstörung zu beurteilen.

Fazit: Ihr Herz in Ihrer Hand

Die Wissenschaft ist eindeutig: Alkohol belastet unser Herz-Kreislauf-System auf vielfältige Weise. Selbst kleine Mengen sind nicht unbedenklich, und die oft zitierten positiven Effekte moderaten Konsums werden durch die Risiken aufgewogen. Die gute Nachricht ist, dass Sie selbst entscheiden können, wie Sie mit diesem Wissen umgehen.

Beobachten Sie aufmerksam, wie Ihr Körper auf Alkohol reagiert. Messen Sie regelmäßig Blutdruck und Puls und dokumentieren Sie auffällige Werte. Wenn Sie Ihre Herzgesundheit aktiv verbessern möchten, probieren Sie doch einmal eine alkoholfreie Woche mit mediterraner Küche aus. Sie werden überrascht sein, wie gut Sie sich fühlen können. Und sollten Sie Unterstützung beim Reduzieren Ihres Alkoholkonsums benötigen, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihr Herz wird es Ihnen danken.

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